Verkehrsrecht

Gebot der wechselseitigen Rücksichtnahme


Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. März 2022 (VI ZR 47/21) zum Gebot der wechselseitigen Rücksichtnahme bei einer beidseitigen Fahrbahnverengung im Straßenverkehr


Verengen sich 2 Fahrstreifen auf einen Fahrstreifen, wird dieses mit dem Gefahrenzeichen 120 Gefahrenzeichen 120über die vorausliegende beidseitige Fahrbahnverengung angezeigt. Nun setzt der Stressmoment für den deutschen Verkehsteilnehmer (stets weltbester Fahrer und immer im Recht) insoweit ein, ob er einen anderen Verkehrsteilnehmer sogar gewähren lassen muss. Fahren nämlich zwei Verkehrsteilnehmer nebeneinander mit gleicher Geschwindigkeit auf eine beidseitige Fahrbahnverengung zu, so gilt nach den Worten des BGH das Gebot der wechselseitigen Rücksichtnahme gem. § 1 StVO. Mit anderen Worten "Der Klügere gibt im Zweifel nach". Dies sahen zwei Verkehrsteilnehmer leider anders und hielten einfach drauf. Die Folge war nun, dass sich beide Verkehrsteilnehmer die Kosten des Unfalls teilen dürfen. Da in einem solchen Fall das Gebot der wechselseitigen Rücksichtnahme gilt, ergibt sich auch bei zwei gleichauf in die Engstelle fahrenden Fahrzeuge kein regelhafter Vortritt des rechts fahrenden Fahrzeuges. Das Durchfahren einer solchen Engstelle ist zum einen nicht mit einem Fahrstreifenwechsel im Sinne des § 7 Abs. 5 StVO verbunden und das Gefahrenzeichen 120 enthalte zum anderen auch keine Vorrangregelung des rechts fahrenden Fahrzeuges. Da keines des beiden Fahrzeuge Vorrang hat, müssen sich die Verkehrsteilnehmer verständigen, wer als erster in die Engstelle einfahren darf. Kommt es zu keiner Verständigung, muss der Klügere nachgeben und im Zweifel dem anderen den Vortritt lassen. Dass dies den deutschen Verkehrsteilnehmer vor kaum lösbare Entscheidungszwänge stellt, kann man immer wieder wunderbar z. B. auf Supermarktparkplätzen beobachten, auf denen auch grundsätzlich das Gebot der wechselseitigen Rücksichtnahme gilt.


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