Entscheidung aus dem Arbeitsrecht
Diverse Gerichtsentscheidungen

Außerordentliche Kündigung wegen Androhung einer Erkrankung bei Nichtgewährung von Urlaub
Die Ankündigung einer zukünftigen, im Zeitpunkt der Äußerung noch nicht bestehenden ERkrankung durch den Arbeitnehmer für den Fall der Ablehnung von begehrtem Urlaub ist ohne Rücksiht auf die später tatsächlich auftretende Krankheit an sich als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung geeignet. Maßgeend ist die Wertung durch einen verständigen Dritten.
BAG Urteil vom 17.6.2003 (2 AZR 123/02)

Änderungskündigung und Schriftform
Bei einer Änderungskündigung gilt das Schriftformerfordernis des § 623 BGB nicht nur für die Kündigung als solche, sondern acu für as Änderungsangebot.
LAG Köln, Urt. vom 26.9.2003 (12 Sa 743/03)

Fristlose Kündigung bei Diebstahl geringwertiger Sachen BGB § 626
BAG, Urteil vom 11.12.2003 - 2 AZR 36/03
1. Die rechtswidrige und vorsätzliche Verletzung des Eigentums oder Vermögens des Arbeitgebers ist stets, auch wenn die Sachen nur geringen Wert besitzen, als wichtiger Grund zur außerordentlichn Kündigung an sich geeignet.
2. Erst die Würdigung, ob dem Arbeitgeber deshalb die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist bzw. der vertragsgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar ist, kann zu der Feststellung der Nichtberechtigung der außerordentlichen Kündigung führen.
3. Ein Arbeitnehmer in einem Warenhausbetrieb muss normalerweise davon ausgehen, dass er mit einem DIebstahl oder einer Unterschlagung auch geringwertiger Sachen im Betrieb seines Arbeitgebers seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzt. Eine Abmahnung ist bei einem derartigen Fehlverhalten regelmäßig nicht erforderlich.

Keine Abmahnung bei fristloser Kündigung eines GmbH Geschäftsführers
BGB § 626
Die fristlose Kündigung des Dienstverhältnisses eines GmbH-Geschäftsführers hat regelmäßig eine Abmahnung nicht zur Voraussetzung. BGH Urteil vom 14.2.2000 - II ZR 218/98 (Köln)
Das Institut der Abmahnung ist im Arbeitsrecht im Hinblick auf die soziale Schutzbedürftigkeit abhängig Beschäftigter entwickelt worden. Dieser Schutzgesichtspunkt kann bei Leitungsorganen von Kapitalgesellschaften nicht ausschlaggebend sein. Sie kennen regelmäßig die ihnen obliegenden Pflichten und sind sich über die Tragweite etwaiger Pflichtverletzungen auch ohne besondere Hinweise und Ermahnungen im Klaren. Soweit Pflichtenverstöße so gravierend sind, dass sie zur Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zu den Gesellschaftern oder anderen Organen der Gesellschaft geführt haben, kommt eine Abmahnung ohnehin nicht in Betracht.

Urlaubsabgeltung und Kündigungsschutzklage
BGB § 779; BUrlG § 7 III, IV; KSchG §§ 4,13
1. Die Erhebung einer Kündigungsschutzklage hat regelmäßig nicht die Geltendmachung von Urlaubs- oder Urlaubsabgeltungsansprüchen zum Inhalt.
2. Mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses wandelt sich nach § 7 IV BurlG ein bis dahin noch nicht erfüllter Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers in einen Abgeltungsanspruch um, ohne dass es weiterer Handlungen des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers bedarf.
3. Einigen sich die Parteien nach Erhebung einer Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers in einem Vergleich über eine rückwirkende Auflösung des Arbeitsverhältnisses, ist der Abgeltungsanspruch bereits mit dem vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses entstanden. Sofern die Parteien keine abweichende Regelung getroffen haben, bestehen keine Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers für den in Folge Fristablaufs erloschenen Urlaubsabgeltungsanspruches, wenn sich der Arbeitgeber nicht mit der Gewährung des Urlaubs in Verzug befunden hatte.
BAG Urteil vom 21.9.1999 - 9 AZR 705/98

Form des Arbeitszeugnisses - Unterschrift
(„das geknickte Zeugnis")

1. Der Arbeitgeber erfüllt den Anspruch des Arbeitnehmers auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses auch mit einem Zeugnis, das er zweimal faltet, um den Zeugnisbogen in einen Geschäftsumschlag üblicher Größe unterzubringen, wenn das Originalzeugnis kopierfähig ist und die Knicke im Zeugnisbogen sich nicht auf den Kopien abzeichnen, z. B. durch Schwärzungen.

2. Schließt das Arbeitszeugnis mit dem in Maschinenschrift angegebenen Namen des Ausstellers und seiner Funktion, so ist das Zeugnis von diesem persönlich zu unterzeichnen.

BGB §§ 126, 630; GewO § 113; HGB § 73; ZPO § 767

BAG, Urt. V. 21.09.1999 - Az.: 9 AZR 893/98

Schwangerschaft stellt keinen Grund zur Ablehnung einer Bewerberin für ein unbefristetes Arbeitsverhältnis dar
Richtlinie 76/207/EWG Art. 2
Art. 2 I und III Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. 2. 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen verbietet es, eine Schwangere deshalb nicht auf eine unbefristete Stelle einzustellen, weil sie für die Dauer der Schwangerschaft wegen eines auf ihren Zustand folgenden gesetzlichen Beschäftigungsverbots auf dieser Stelle von Anfang an nicht beschäftigt werden darf.
EuGH, Urt. V. 03.02.2000 - Az.: Rs. C-207/98

Kündigung: Mißbrauch des Personalrabatts
LAG Schleswig-Holstein Az: 4 SA 209/98
Einem Arbeitnehmer kan sofort gekündigt werden, wenn er anderen ohne Erlaubnis Personalrabatt gewährt. In der vorliegenden Entscheidung hatte eine Beschäftigte Kleidungsstücke für einen Bekannten (Nachbarn)über ihren Personalrabatt in Höhe von 20% abgerechnet. Der Rabatt war vom Arbeitgeber beschränkt auf die Mitarbeiter und deren Familienmitglieder eingeräumt. Zur Begründung der Kündigungsbestätigung führte das Gericht an, die Klägerin habe ihren Arbeitgeber durch den unberechtigten Personalrabatt geschädigt.

Arbeitnehmerstellung eines Mehrheitsgesellschafters

BAG Az.: 5 AZR 612/97 (vom 6. Mai 1998) Quelle: NZA 1998,939
Der Gesellschafter einer GmbH, dem mehr als 50% der Stimmen zustehen, kann auch dann kein Arbeitnehmer dieser Gesellschaft sein, wenn er nicht Geschäftsführer ist. Ob der Gesellschafter seine Leitungsmacht tatsächlich ausübt, ist unerheblich.
Mit Eintritt der Pfandreife an den von einem weiteren Gesellschafter an den klagenden Gesellschafter verpfändeten Anteile standen diesem 63,79% der Stimmrechte zu. Er war damit nicht nur wie bereits vorher am Unternehmen mit Gewinnanspruch wesentlich beteiligt, sondern konnte zusätzlich infolge der Mehrheit seiner Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung die Leitungsmacht ausüben, sich also den Weisungen des Geschäftsführers entziehen. Ab diesem Zeitpunkt hatte er seine persönliche Abhängigkeit als Arbeitnehmer eingebüßt.

Betriebliche Übung, Gehaltserhöhung
BAG Az.: 5 AZR 598/97
Ist der Arbeitgeber auf Basis einer Betriebsvereinbarung verpflichtet, das Gehalt jährlich zu überprüfen, so entsteht selbst durch mehrfache Gehaltsanpassungen nach den entsprechenden Kriterien keine betriebliche Übung, die den Arbeitgeber zu weiteren Gehaltsanpassungen verpflichtet.

Änderungskündigung, Gehaltskürzung

BAG Az.: 2 AZR 84/98 (vom 17. September 1998)
Im Rahmen der Prüfung, ob ein dringendes betriebliches Erfordernis zu einer Gehaltskürzung im Wege der Änderungskündigung besteht, ist auf die wirtschaftliche Situation des Gesamtbetriebes abzustellen. Die Beschränkung auf einen unselbständigen Betriebsteil ist unzureichend. Soweit eine Gehaltskürzung mittels Änderungskündigung aufgrund dringender betrieblicher Bedürfnisse gerechtfertigt ist, darf der Arbeitgeber regelmäßig nicht nur einzelnen Arbeitnehmer diese einschneidenden Gehaltskürzungen auferlegen, selbst wenn diese einer mit Verlust arbeitenden Abteilung angehören. Wird die Gehaltskürzung mit nur vorübergehenden wirtschaftlichen Verlusten begründet, müssen die Arbeitnehmer billigerweise keine Gehaltskürzung auf Dauer hinnehmen.

Klagefrist

LAG Schleswig-Holstein Az.: 4 Ta 188/97 (vom 16. April 1998)
In einem Verfahren wegen nachträglicher Zulassung der Kündigungsschutzklage nach § 5 KSchG muß der Arbeitnehmer sich das Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten wie eigenes Verschulden zurechnen lassen. Die Einschaltung des für die Durchsetzung von Individualansprüchen nicht zuständigen Betriebsrates zur Veranlassung der Klageerhebung stellt ein äußerst leichtfertiges Verhalten des Arbeitnehmers dar. Fristversäumnisse aufgrund nicht sorgfältiger Arbeit des Betriebsrates sind daher dem klagenden Arbeitnehmer zuzurechnen.

Kündigung, Beleidigung

LAG Köln Az.: 4 Sa 930/97 (vom 30. Januar 1998)
Einen Grund zur fristlosen Kündigung gemäß Â§ 626 BGB kann eine grobe Beleidigung des Arbeitgebers ("Sie haben doch nur Bumsen im Kopf") darstellen.

Kündigung, Rauchverbot

LAG Düsseldorf Az.: 16 Sa 346/97 (vom 17. Juni 1997) Quelle: NZA 1998, 945

Verstößt ein Arbeitnehmer trotz wiederholter Abmahnungen erneut gegen ein in einem Betrieb zwingend vorgeschriebenes Rauchverbot (hier: Fleischverarbeitungsbetrieb), kann eine Kündigung auch bei langjähriger Betriebszugehörigkeit sozial gerechtfertigt sein. [vgl. auch LAG Nürnberg BB 61, 1325; LAG Stuttgart DB 52, 232; ArbG Husum BB 65, 911; LAG Stuttgart RdA 55,80]

Kündigung, Schriftform

BAG Az.: 2 AZR 603/97 (vom 20. August 1998) Quelle: NZA 1998, 1330
Die gewillkürte Schriftform kann unter besonderen Umständen auch durch Aushändigung einer unbeglaubigten Fotokopie der ordnungsgemäß unterzeichneten Originalurkunde gewahrt werden.
Heißt es in Arbeitsverträgen, eine Kündigung des Vertrages könne beiderseits nur schriftlich unter Einhaltung einer bestimmten Frist erfolgen, so ist davon auszugehen, daß die vereinbarte Schriftform konstitutive Bedeutung hat. Unter besonderen Umständen kann die gewillkürte Schriftform auch durch Aushändigen einer unbeglaubigten Fotokopie der ordnungsgemäß unterzeichneten Originalurkunde erfüllt werden. Bei der gewillkürten Schriftform, also bei Rechtsgeschäften, für die an sich der Grundsatz der Formfreiheit besteht, hat der Gesetzgeber in § 127 S.2 BGB Erleichterungen geschaffen, die "den Bedürfnissen des Verkehrs Rechnung" tragen sollen. Die neuere Rechtsprechung des BGH sieht sogar bei der rechtsgeschäftlich vereinbarten Schriftform je nach den Umständen von dem Unterschriftserfordernis ab, wenn Urheber und Inhalt der Erklärung in anderer Weise hinreichend klargestellt sind (BGH, NJW-RR 1996, 641). Es muß danach zur Erfüllung der gewillkürten Schriftform ausreichen, wenn dem Erklärungsempfänger in Anwesenheit des Erklärenden in einem Gerichtstermin eine nicht beglaubigte Fotokopie der bei der Gerichtsakte befindlichen, die Schriftform erfüllende Originalurkunde überreicht wird. Der Empfänger kann in diesem Fall die Authentizität der schriftlichen Erklärung sofort nachprüfen.

Betriebsrat, Personalcomputer

BAG Az.: 7 ABR 59/96 (Beschluß vom 11. März 1998) Quelle: NZA 1998, 953
Die Überlassung eines Personalcomputers nebst Monitor und Drucker sowie Software zur Text- und Zahlenverarbeitung an den Betriebsrat kann erforderlich i. S. des § 40 II BetrVG sein. Ein PC ist nicht ohne weitere Darlegung der konkreten Erforderlichkeit jedem Betriebsrat als Grundausstattung zur Verfügung zu stellen.
Nach § 40 II BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat für die laufende Geschäftsführung sachliche Mittel in erforderlichem Umfang zur Verfügung zu stellen. Auf die Darlegung der Erforderlichkeit kann auch bei Betrieben ab einer bestimmten Mitarbeiterzahl nicht verzichtet werden. Mit der Größe des Betriebes und der Anzahl der Beschäftigten steigt regelmäßig die Arbeitsbelastung des Betriebsrates bei der Ausübung von Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten. Das erleichtert die Darlegung von Tatsachen für die Erforderlichkeit der Anschaffung und Nutzung eines PC. Eine vollständige Befreiung von der Ausübung des Beurteilungsspielraumes folgt daraus jedoch nicht. Der erforderliche Umfang eines Sachmittels bestimmt sich auch nicht ausschließlich am entsprechenden Ausstattungsniveau des Arbeitgebers. Weder aus § 40 II BetrVG noch aus dem Benachteiligungsverbot des § 78 BetrVG, oder aus dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit des § 2 BetrVG folgt die Pflicht des Arbeitgebers, dem Betriebsrat dieselben Sachmittel zur Verfügung zu stellen, wie sie von ihm benutzt werden. Nur dort, wo sich die Aufgaben von Arbeitgeber und Betriebsrat berühren, nämlich bei der betrieblichen Mitwirkung und Mitbestimmung, kann der Einsatz moderner Kommunikationsmittel auf Arbeitgeberseite den erforderlichen Umfang der dem Betriebsrat zur Verfügung zu stellenden Sachmittel beeinflussen.


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